Ein Übergangsjahr mit Rekordumsatz

ESA-Generalversammlung

Ein Übergangsjahr mit Rekordumsatz

18. Mai 2017 agvs-upsa.ch - Einiges war neu an der 86. Generalversammlung der ESA: Mit Markus Hutter führte ein neuer VR-Präsident durch die Veranstaltung und mit Giorgio Feitknecht legte ein neuer CEO Rechenschaft ab. Eines blieb gleich: Das Geschäftsjahr war höchst erfreulich.
 

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Verwaltungsrats-Präsident Markus Hutter.

sco/kro. Rund 1000 Mitinhaberinnen und -inhaber sowie Gäste aus der Branche fanden am Donnerstag den Weg nach Interlaken zur 86. Generalversammlung der Einkaufsorganisation des Schweizerischen Automobil- und Motorfahrzeuggewerbes (ESA). «Interlaken ist immer einen Besuch wert», sagte Verwaltungsrats-Präsident Markus Hutter in seiner Begrüssungsrede und er meinte damit nicht nur die vielen asiatischen Touristen, die mittlerweile zum Ortsbild gehören wie Eiger, Mönch und Jungfrau. Dass 1000 Gäste die Einladung ins Berner Oberland angenommen haben, beweise die Verbundenheit des Autogewerbes mit der ESA, stellte Hutter fest.

Ein «wenig spektakuläres Jahr»
Das Berichtsjahr 2016 sei ein «wenig spektakuläres Jahr» gewesen, erklärte der VR-Präsident, als ob er den Rekordumsatz von 341,7 Millionen Franken (+2,2%) entschuldigen wollte. Das Umfeld sei halt schwierig gewesen. Und es dürfte schwierig bleiben. Hutter nannte selbstfahrende Autos oder sinkende CO2-Limiten als Beispiele für den Wandel, der auf die gesamte Branche zukommt. «Mit diesem absehbaren Wandel muss sich die ESA schon heute befassen.» Doch die ESA sei gut positioniert, brachte Hutter die strategische Situation auf den Punkt, die Rechtsform als Genossenschaft sei stabil und sinnvoll, Diskussionen über hohe Managergehälter gebe es nicht. «Wir dürfen in aller Bescheidenheit feststellen, dass die ESA weltweit einzigartig ist», schloss Markus Hutter seine Begrüssung: «Wir dürfen stolz auf die ESA sein, gerade in stürmischen Zeiten wie heute.»

Später Sommer, warmer Herbst, ausbleibender Schnee
Stolz war auch Giorgio Feitknecht, der erstmals als CEO an der Generalversammlung auftrat. Er sprach davon, dass 2016 nach der Euro-Abwertung im Vorjahr im Bezug auf die Entwicklung von Umsatz und Finanzergebnis ein «Übergangsjahr» gewesen sei. Wirtschaftlich und meteorologisch sei es kein einfaches Jahr gewesen, meinte der neue Chef. «Der späte Sommer, der warme Herbst und der ausbleibende Schnee» seien für das so wichtige Reifengeschäft «nicht optimal» gewesen. Trotzdem und obwohl der Gesamtmarkt nicht wachse, habe man den Absatz in Stückzahlen um 4 Prozent steigern können: «Wir wollen das Reifengeschäft in den Garagen fördern. Reifen und Räder sind der einfachste und günstigste Weg zur Kundenbindung.» Ein Umsatzwachstum trotz sinkender Preise erwirtschaftete die ESA bei den Service- und Verschleissteilen, während der milde Winter den Absatz von Zubehör und Chemie hemmte. Die Umsatzziele seien unter den gegebenen Umständen nicht erreicht worden, schien auch Giorgio Feitknecht den Rekordumsatz zu entschuldigen. Der Gewinn vor Abschreibungen betrug 6,935 Millionen Franken, marginal weniger als 2015 (6,947 Mio.), die Abschreibungen von 6 Millionen liegen deutlich höher als betriebswirtschaftlich notwendig.

Das neue Jahr ist gut angelaufen
Doch Giorgio Feitknecht resumierte nicht nur 2016, er blickte auch nach vorn: Das neue Jahr habe sich sehr gut angelassen, sowohl im Bezug auf die Marktanteile wie auch den Umsatz, und die weiteren Aussichten stimmten durchaus zuversichtlich. Sämtliche Anträge des Verwaltungsrates wurden von den knapp 500 stimmberechtigten Genossenschafterinnen und Genossenschaftern einstimmig angenommen. Nach 80 Minuten und einem Grusswort von AGVS-Zentralpräsident Urs Wernli schloss Markus Hutter seine erste GV als Verwaltungsratspräsident einer kerngesunden ESA.

Hier finden Sie die offizielle Pressemitteilung zur ESA-GV!
 
Interview mit Markus Hutter, ESA-Präsident
 
«Ich bin sehr zufrieden»
Vor einem Jahr an der ESA-Generalversammlung zum neuen Präsidenten ernannt, blickt Markus Hutter auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Gleichzeitig sieht er aber auch grosse Herausforderungen auf die Garagisten und die ESA zukommen.
 

Markus Hutter, was war aus Sicht des ESA-Präsidenten 2016 die grösste Herausforderung auf der strategischen Ebene?
Markus Hutter: Eindeutig die Anpassung an die rasanten technologischen Veränderungen und der damit verbundene, fundamentale Wandel im gesamten Informationstechnologiebereich. Die ESA hat sich der Aufgabe gestellt - und profitiert, weil sie mit garagino.ch in diesem Bereich noch aktiver geworden ist.

Wie zufrieden sind Sie als ESA-Präsident mit dem Geschäftsabschluss 2016?
Ich bin sehr zufrieden – das darf ich mit einem neuen Umsatzrekord von CHF 341,7 Millionen Franken auch sein. Wir konnten unseren Mitinhabern eine im Markt sehr gut positionierte Verzinsung des Anteilscheinkapitals von 2,5 Prozent vorschlagen, was von ihnen einstimmig angenommen wurde. Das Jahresergebnis zeigt auch, wie gut aufgestellt die ESA ist und wie stark sie im Markt positioniert ist.

Wie haben Sie den Übergang von Charles Blättler zu Giorgio Feitknecht erlebt?
Die Stabsübergabe erfolgte wie geplant nahtlos und erfolgreich. Mit Giorgio Feitknecht wussten wir ja exakt, wen wir als neuen Vorsitzenden der Geschäftsleitung bekommen. Schon Charles Blättler hat unsere Genossenschaft deutlich gestärkt – und Giorgio Feitknecht wird das ohne Zweifel ebenfalls tun.

Was sind die grössten Herausforderungen für den Garagisten in den kommenden Jahren?
Eine ganze Reihe: Da ist zum einen der immer grösser werdende Margendruck. Darunter leiden die Garagisten teilweise sehr. In dieses Kapitel fällt die Abhängigkeiten von den Auto-Importeuren. Dazu kommen die teilweise rasanten technischen Entwicklungen der Fahrzeuge, auch und gerade im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung. Und nicht zuletzt werden gesetzlichen Anforderungen wie die CO2-Gesetzgebung einen starken Einfluss auf die ganze Branche haben.


Interview mit Giorgio Feitknecht, Vorsitzender der ESA-Geschäftsleitung
 
Viele Parallelen zum Extrembergsteigen

In seiner neuen Funktion als Vorsitzender der Geschäftsleitung hat Giorgio Feitknecht erstmals das Jahresgergebnis der ESA präsentiert. Mit dem Erreichten ist er zufrieden, sagt aber auch, dass bei einem Marathon nicht die ersten Kilometer entscheidend sind.

Als Referenten haben Sie den Extrembergsteiger Dani Arnold eingeladen. Welche Parallelen sehen Sie zu Ihrem Job als Vorsitzender der ESA-Geschäftsleitung?
Giorgio Feitknecht (lacht): Oh, da gibt es einige! In beiden Jobs ist es notwendig oder empfohlen, motiviert, engagiert und mit Freude an die Sache zu gehen. In beiden Jobs geht es auch darum, Ideen und Visionen zu entwickeln, Ziele zu definieren und anschliessend Projekte und Massnahmen umzusetzen und dabei immer die Risiken und die Opportunitäten möglichst richtig abzuwägen. Und natürlich geht es auch darum, mit Team-Mitgliedern, Kunden, Sponsoren, Mitarbeitenden, Zuschauern, Verwaltungsräten, Familienangehörigen zu kommunizieren und sie für die Ideen, Ziele und Vorhaben zu überzeugen, zu begeistern und zu motivieren.
 
Was war 2016 aus Ihrer Sicht unternehmerisch die grösste Herausforderung für die ESA?
Nach der Euroabwertung im 2015, die zu grossem Preiszerfall und starkem Ertragseinbruch führte, war das Jahr 2016 ein Übergangsjahr. Die Marktpreise mussten sich zuerst wieder einpendeln. Das konjunkturelle Umfeld war nicht einfach und man verspürte in der Branche eine gewisse Unsicherheit und Vorsicht. Dazu kam noch der ausgebliebene Winter, was der Umsatz- und Ertragsentwicklung auch nicht gerade förderlich war.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis für das vergangene Jahr?
In Anbetracht der nicht optimalen wirtschaftlichen und meteorologischen Rahmenbedingungen darf es meines Erachtens als ein positives und erfolgreiches Jahr betrachtet werden. Wir haben 2016 mit einem neuen Gesamtumsatzrekord und dem erzielten Ergebnis sehr gut abgeschlossen.
 
Was erwarten Sie für ein Geschäftsjahr 2017?
Für das laufende Jahr stimmen uns die erfreuliche Umsatzentwicklung im ersten Quartal, die guten Kontakte mit unseren Kunden sowie die getätigten Abschlüsse am diesjährigen Auto-Salon in Genf zuversichtlich. Nach dem Übergangsjahr 2016 erwarten wir eine Stabilisierung im gesamten Markt. Und natürlich hoffen wir, dass wir in diesem Jahr wieder einmal auf einen richtigen Winter zählen können. Das würde das für die ganze Branche so wichtige Wintergeschäft stark unterstützen.

Im Januar haben Sie die Nachfolge von Charles Blättler angetreten – wie verlief der Start?
Ich habe den Start als sehr positiv erleben können, da ich von vielen Seiten sehr gut unterstützt und gut aufgenommen wurde. Alle VR-Mitglieder haben mir ihre Hilfe angeboten und ich habe von der vorbildlichen, sehr professionellen und kompetenten Übergabe, Einführung und Begleitung durch Charles Blättler in den ersten Monaten profitiert. Die ESA-Mitarbeitenden, das Kader und die Geschäftsleitung, ohne die bei der ESA nichts funktionieren würde, haben ihre tägliche Arbeit mit Professionalität, Motivation, Engagement und Herzblut weitergeführt, auch unter meiner Leitung. Und bei den Begegnungen mit unseren Mitinhabern und Kunden habe ich jeweils unterstützende Worte entgegen nehmen können. Das war sehr motivierend. Jetzt werde ich alles daran setzen, dass dies hoffentlich so weiter geht, denn in einem Marathon sind nicht die ersten Kilometer entscheidend, sondern die Zielgerade.


Charles Blättler geehrt

sco/kro. Anlässlich der 86. Generalversammlung der ESA wurde auch der langjährige CEO Charles Blättler geehrt, der seinen Posten per 1. Januar 2017 an Giorgio Feitknecht übergeben hatte. Es mute etwas seltsam an, den jung gebliebenen Ex-CEO als Pensionär zu verabschieden, meinte ESA-Präsident Markus Hutter und brachte als FDP-Nationalrat en passant noch eine politische Botschaft an: «Tritt Charles Blättler allzu früh in den Ruhestand? Oder ist das Pensionsalter in der Schweiz zu tief? Beides trifft natürlich zu, auch wenn es sich um eine durchwegs ordentliche Pensionierung von Charles Blättler handelt.» In den vergangenen 13 Jahren habe Charles Blättler die ESA erfolgreich vertreten und verkörpert. «Er hat der ESA ein unverwechselbares Gesicht verliehen und damit einen Massstab gesetz, der nur schwer zu übertreffen sein wird.» Blättler habe viel erreicht, seit er 2003 als Mitglied der Geschäftsleitung zur ESA gestossen sei, deren Vorsitz er am 1. Januar 2006 übernahm, so Hutter. «Die ESA ist seither um nicht weniger als einen Drittel gewachsen und setzt heute fast hundert Millionen Franken mehr um.»
 
Aber Charles Blättler habe auch seine Mitarbeitenden entwickelt, ein kompetentes Führungsteam aufgebaut und erhalten - inklusive seines eigenen Nachfolgers. «Charles Blättler wird uns als Gentleman mit Humor in Erinnerung bleiben, mit eigenem Stil, gepflegten Umgangsformen und einer stets souveränen Haltung», schloss Hutter seine Laudatio.

Der Geehrte nahm den Steilpass auf, verdankte die «netten, vielleicht zu schmeichelhaften Worte» und bat Markus Hutter, er möge ihm den Text doch bitte in schriftlicher Form aushändigen: «Ich würde ihn gerne meiner 93-jährigen Mutter zeigen, damit sie sieht, dass aus dem mittlersten ihrer fünf Kinder doch noch etwas anständiges geworden ist…»

Die gesamte Laudation von VR-Präsident Markus Hutter finden Sie, Charles Blättler und sicher auch seine Mutter hier!
 
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Charles Blättler (r.) mit Partnerin Sarah Burgdorf und Daniel Steinauer von der ESA.


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«Ich weiss schon, wie arbeiten geht»

Charles Blättler hat es vom Bauernbub aus Hergiswil im Kanton Nidwalden zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung der ESA gebracht. Seit Anfang April 2017 ist er im Ruhestand und wurde an der ESA-Generalversammlung in Interlaken als eine der prägenden Figuren im Schweizer Autogewerbe würdig verabschiedet.
 
kro. Als Kind hatte er keinen Traumberuf: «An den schulfreien Mittwoch- und Samstagnachmittagen waren ich und meine Brüder im elterlichen Bauernbetrieb mit Arbeiten wie kälbertränken, misten, grasen, heuen, obstlesen oder Gartenarbeit beschäftigt», sagt er, «wir hatten keinen Zugang zu irgendwelchen Traumberufen». Sein Vater stirbt an den Spätfolgen eines Unfalls, als er fünfzehn war, mit sechzehn beginnt er als Erstausbildung eine kaufmännische Lehre im Eisenhandel, wo ihn der Lehrmeister am ersten Tag an seinen Oberstift verweist mit den Worten: «er zeigt Dir, wie man arbeitet». Worauf der Junge selbstbewusst erwidert: «Ich weiss schon, wie arbeiten geht».

Knapp fünfzig Jahre später wird Charles Blättler als Vorsitzender der Geschäftsleitung der grössten Organisation der Schweizer Autobranche pensioniert. Von Ruhestand möchte er aber nichts hören: «Ich bin nicht mehr gleich an- und eingespannt», sagt er, «aber ich bin nicht im Ruhestand».

Gratwanderung geschafft
In den dreizehn Jahren an der Spitze hat Charles Blättler die innere und äussere Wahrnehmung der «Einkaufsorganisation des Schweizerischen Auto- und Motorfahrzeuggewerbes» (ESA) stark verändert – und er hat gleichzeitig deren Umsatz markant erhöht; im vergangenen Jahr lag er bei 342 Millionen Franken. Er selber gibt die Blumen weiter und sagt: «Es ist nie ein Einzelner, es ist immer das Kollektiv, welches den Erfolg ausmacht. Ohne fachlich kompetente und motivierte Mitarbeitende wäre das alles gar nie möglich gewesen.» Mit ihnen zusammen hat er jene schwierige Gratwanderung geschafft, die heute Giorgio Feitknecht, sein erklärter Wunschkandidat als sein Nachfolger, fortsetzt: Den besten Weg zu finden zwischen einer nicht primär am Gewinn orientierten Genossenschaft der Schweizer Garagisten und einer kompetitiven, auf einen harten Wettbewerb im Markt ausgerichteten Unternehmung. Das allein ist schon ausserordentlich anforderungsreich, denn die Konkurrenz ist wach, und kämpft ebenfalls um Marktanteile.  

Grosser Spielraum, enger Dialog
Die ersten Tage und Wochen nach Bekanntgabe, dass sich Charles Blättler altershalber zurückzieht, waren für ihn nicht leicht, «obwohl ich mir immer bewusst war, dass es auch ein Leben nach der ESA gibt.» Vor seiner Zeit im Autogewerbe hat er – immer als Mitglied oder Vorsitzender der Geschäftsleitung – in internationalen und nationalen Firmengruppen gearbeitet, vor allem in der Lebens- und Genussmittelbranche. Von diesen Erfahrungen und seinem Studium an der Hochschule für Wirtschaft in Luzern hat er später profitiert: «Sie haben meinen Horizont erweitert und mir ermöglicht, anders auf mein Gegenüber zuzugehen.» Mit anders meint er: offen. Das hat auch immer für seine Mitarbeitende gegolten: grosser Spielraum, aber enger Dialog. So hat er stets geführt. Er sei zwar hart in der Sache, sagt er, «aber leicht im Umgang». Auf dieser Basis hat er in der ESA eine Kultur des Austauschs etabliert, eine Kultur, «in der man miteinander und nicht übereinander spricht». Und noch etwas hat er dort etabliert: «Es gibt bei uns keine Klugscheisser», denn Besserwisser und Wichtigtuer gehen ihm am meisten gegen den Strich. Das gilt auch für Leute, die unaufmerksam sind und für solche, die einen Mangel an Identifikation an den Tag legen, denn «Identifikation mit den Bedürfnissen des Kunden ist die wichtigste Basis für geschäftlichen Erfolg».

Harte Entscheide gab es eine ganze Reihe zu fällen. Und so konziliant und freundlich Charles Blättler auch scheinen mag – vor solchen Entscheidungen hat er sich nie gedrückt. Aber er fällte sie auf der Basis von Verstand und zog sie so verträglich wie möglich durch, vor allem dann, wenn es sich um Personalentscheide handelte.

Branche ist ihm ans Herz gewachsen
Die Entwicklung des Autogewerbes wird er auch weiterhin sehr aufmerksam verfolgen. Erstens ist ihm diese Branche von allen «am stärksten ans Herz gewachsen». Und zweitens hat er soeben ein Angebot angenommen, seine Erfahrung in den Verwaltungsrat einer «interessanten» Familienunternehmung mit zwei Garagen im Raum Zürich zu tragen. Für die Übernahme weiterer solcher Aufgaben in der Branche oder generell in der Wirtschaft ist er offen.

Aktuell beschäftigt ihn die Tendenz der Politik, sich zugunsten von alternativen Antrieben in den Markt einzuschalten. «Unsere Branche wird sich darauf vorbereiten müssen, weil diese Entwicklung die Wertschöpfungskette in den Garagen stark beeinflussen wird.» Noch gebe es einen hohen Bestand von Fahrzeugen mit konventionellen Antrieben, die bis zum Ende ihrer Lebenszyklen gewartet werden müssten. «Es ist unumgänglich, dass die Fahrzeughersteller den Garagisten auch für den Neuwagenverkauf wieder eine überlebenssichernde, kostendeckende Marge garantieren.»

Die ESA «im Auge behalten»
Und natürlich wird er auch die ESA «im Auge behalten». Er sei in bestem Einvernehmen mit der ESA-Geschäftsleitung, dem Verwaltungsrat und dem Vorstand in Pension gegangen und steht «nach wie vor in einem sehr freundschaftlichen, unkomplizierten Dialog mit allen Exponenten der ESA, besonders auch mit seinem Nachfolger.» Wehmut verspürt er keine – «im Gegenteil». Er hat seit seiner Pensionierung vor zwei Monaten realisiert, wie wichtig ihm die viel grössere «Agendafreiheit» geworden ist. Er findet mehr Zeit für Sport, Reisen, Kulturelles und die Natur, und vor allem für seine 31-jährige Tochter und seine, noch voll im Erwerbsleben stehende Lebenspartnerin. Und er findet endlich auch mehr Zeit für seine Mutter. Sie ist 93 Jahre alt und nach wie in sehr guter, geistiger Verfassung.. Jetzt kann er ihr wenigstens etwas davon zurückgeben, was sie als plötzliche Wittwe einer Familie mit fünf Kindern im schwierigen Alter der Pubertät, bzw. Vorpubertät und danach, alles gegeben hat.
 

Charles Blättler ist unter charles.blaettler@bluewin.ch am besten zu erreichen.
 
«Wir sind nicht primär auf den grossen Gewinn fixiert»
Die Einkaufsorganisation der Schweizer Garagisten, die ESA, hat einen neuen Chef. Mit Giorgio Feitknecht findet ein Generationenwechsel statt. Eine Revolution ist nicht zu erwarten – aber der neue Vorsitzende der Geschäftsleitung steht vor einer herausforderungsreichen Zeit, denn das Garagengewerbe wird sich verändern.
 

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kro. Alleine schon der kräftige Händedruck zur Begrüssung signalisiert: Hier ist jemand, der zupackt. Giorgio Feitknecht steuert ab Anfang Januar 2017 als neuer Vorsitzender der Geschäftsleitung die Geschicke der ESA. Charles Blättler, sein Vorgänger, wird ihn noch bis Mitte März im Hintergrund begleiten und nach dem Auto-Salon in den ordentlichen Ruhestand treten. Den Fussabdruck einer Branchen-Legende zu füllen, ist kein einfacher Job, das ist auch Feitknecht bewusst: «Charles Blättler hat, zusammen mit den Mitarbeitenden, die ESA zu dem gemacht, was sie heute ist – nicht nur eine führende Organisation im Schweizer Autogewerbe, sondern auch der starker Partner des Garagisten», sagt er. Aber einer wie Feitknecht ist keiner, der Erfolge verwalten will, sein Anspruch geht deutlich weiter: Er will mit der ESA ein neues Kapitel aufschlagen. Alles wird er dabei nicht auf den Kopf stellen. Sein Ansatz ist der einer Evolution, nicht der einer Revolution. Dass sich nicht alles komplett verändern wird, garantiert alleine die Tatsache, dass Feitknecht den Laden seit Jahren kennt – als Leiter Vertriebskanäle war er in den letzten fünf Jahren Mitglied der Geschäftsleitung. Aber auch er weiss: «Das Autogewerbe in der Schweiz steht vor tiefgreifenden Veränderungen», sagt Feitknecht, «da wollen wir uns als führender Partner des Garagisten nicht auf die Rolle beschränken, uns irgendwie mit zuentwickeln, wir wollen die Entwicklung im Rahmen unserer Möglichkeiten massgeblich mitgestalten».

Digitalisierung ist eine grosse Herausforderung
Die grössten Herausforderungen der ESA für die kommenden Jahre sieht Giorgio Feitknecht primär in der rasanten technologischen Entwicklung: «Die Digitalisierung verändert einen grossen Teil der Arbeitsprozesse beim Garagisten – und damit auch bei uns.» Das habe direkte Auswirkungen auf Kosten, Preise und Margen. Die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen würden sich zwar in den nächsten Jahren nicht grundlegend verändern, wohl aber deren Umsetzung. Das stelle die Kunden der ESA vor neue Herausforderungen – und damit die ESA selber auch. «Die Digitalisierung sieht Feitknecht in diesem Zusammenhang als grosse Herausforderung».

 

Der Bereich Logistik macht das beispielhaft deutlich: Der Lieferrhythmus wurde in den vergangenen Jahren stark ausgebaut. Wer nicht so rasch als möglich liefern kann, verliert Kunden. Die Konkurrenz der ESA ist nur einen Mausklick entfernt und hat auch hier in den vergangenen Jahren massiv aufgerüstet. Es ist Schachspiel auf hohem Niveau und Gratwanderung zwischen Kosten und Ertrag zugleich. Braucht es künftig noch mehr Lieferungen pro Tag? «Wir betrachten zwei bis drei Lieferungen pro Tag als ökonomisch und ökologisch sinnvoll, ausgewogen und ausreichend, um die Kundenbedürfnisse abzudecken», sagt Feitknecht, «trotzdem werden wir die Logistik in den kommenden Jahren noch deutlich weiter optimieren müssen – auch und gerade wo es darum geht, die Durchlaufzeit von Bestellschluss bis Auslieferung weiter zu verkürzen.»

Auftrag ist nicht Gewinnmaximierung
In diesem Kampf um Marktanteile, der zwischen ESA und den anderen internationalen, nationalen sowie regionalen Anbietern herrscht, sieht Giorgio Feitknecht seine Firma in einer «speziellen Situation». Er meint damit in einer vorteilhaften. «Wir als brancheneigene Genossenschaft, dessen VR ausschliesslich von Garagisten besetzt ist, sind nicht primär auf den grossen Gewinn fixiert», sagt er, «denn unser erster Auftrag ist es, den Garagen und Carrosserien die notwendigen Produkte, Instrumente und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, damit diese erfolgreich agieren und langfristig bestehen können.» Damit fördere man die Leistungsfähigkeit des ganzen Autogewerbes. Entsprechend könne die ESA Marktleistungen wie zum Beispiel garagino.ch, SafePneu oder den MechaniXclub auch weitgehend kostenlos zur Verfügung stellen. Einen Wettbewerbsnachteil als Genossenschaft kann Feitknecht jedenfalls nicht erkennen: «Auf den ersten Blick mag die Gesellschaftsform der Genossenschaft für gewisse Leute heute etwas altbacken wirken», sagt er, «in der Realität aber ist sie eine sehr moderne Form, weil sie eine sehr grosse Nähe zum Markt garantiert und damit das Interesse unserer Kunden am bestmöglichsten schützt.» Eine Bremswirkung wegen dieser Gesellschaftsform habe er jedenfalls noch nirgends erkennen können, im Gegenteil: «Es ist von grossem Vorteil, wenn unsere Kunden gleichzeitig auch die Mitinhaber sind.» Aber auch Feitknecht ist Realist genug, um zu wissen, dass diese Solidarität weder ein Freibrief noch ein Selbstläufer ist – und sich die ESA täglich am Markt durchsetzen und behaupten muss.

Aus diesem Grund verfolgt die ESA auch sehr genau, wie sich die Rolle des Garagisten künftig wandeln wird. Der neue Chef sieht die Entwicklung klar in Richtung Mobilitätsdienstleister, «auch wenn noch nicht im Detail klar ist, was das alles beinhaltet und deshalb möglicherweise jeder etwas anderes darunter versteht». Hier sieht er die Aufgabe primär beim AGVS, diesen Begriff sukzessive mit greifbaren Inhalten zu füllen, was er mit nachhaltigen und nutzwertorientierten Programmen ja bereits erfolgreich begonnen habe. Feitknecht selber sieht den Kern der Aufgabe eines Garagisten darin, «das Automobil als mögliches Verkehrsmittel für den Konsumenten möglichst attraktiv zu positionieren.» Dazu gehörten Themen wie Umweltschutz, Zuverlässigkeit und vorteilhafte Preise ebenso wie Sympathiefaktoren, einfacher Zugang zu Leistungen und Lösungen sowie Flexibilität. Im Prinzip gehe es für den Garagisten künftig darum, die individuelle Mobilität seiner Kunden in einer zeitgemässen Form sicherzustellen, was primär mit einer noch stärkeren Ausrichtung auf deren Bedürfnisse zu tun habe. Das Stichwort heisst hier: Dienstleistungsorientierung.

«Mein Garagist bedient mich exzellent»
Wird er selber von seinem Garagisten so behandelt? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: «Absolut», sagt er, «mein Garagist bedient mich seit vielen Jahren nicht nur sehr zuvorkommend, sondern geradezu exzellent.» Er gehe sehr flexibel auf seine Ansprüche und Erwartungen ein und sei sehr offen. «Er berät mich in einer sehr angenehmen Art und Weise, so, dass ich bisher noch nie den Eindruck hatte, es gehe ihm nur darum, mir etwas zu verkaufen.» Sehr wahrscheinlich würde sich sein Garagist nicht als Mobilitätsberater definieren, sagt Feitknecht, aber faktisch sei er einer, weil er ihn jederzeit mobil halte. «Er hilft mir auf eine sehr authentische Weise, stets die beste Lösung zu finden.» Genau so, sagt Feitknecht, sollte es doch sein.


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