Erstaunen über den Mangel an Kompromissfähigkeit des Bundesrats

Im Frühjahr 2014 wurde mit über 114 000 Unterschriften die sogenannte «Milchkuh-Initiative» eingereicht. Das unter der Führung von auto-schweiz und vom Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGVS) mitlancierte Volksbegehren fordert eine konsequente Verwendung der Mineralölsteuer ausschliesslich für Strassenprojekte. Anfangs September hat der Bundesrat die Initiative ohne Gegenvorschlag abgelehnt – sehr zum Erstaunen des AGVS, der vom Bundesrat mehr Kompromissbereitschaft erwartet hätte.

Von den zehn Milliarden Schweizer Franken an Gebühren, Steuern und Abgaben, die von den Autofahrerinnen und -fahrer heute pro Jahr bezahlt werden, fliesst nur knapp ein Drittel – 2,9 Milliarden Franken – wieder zurück in den Ausbau und die Instandhaltung des Strassennetzes. Von der Mineralölsteuer in Höhe von 1,5 Milliarden Schweizer Franken geht die Hälfte in die Bundeskasse. Im Grunde wäre also genug Geld für den dringend nötigen Ausbau und Unterhalt der Schweizer Strassen vorhanden. Die Milchkuh-Initiative fordert deshalb konsequenterweise einen vernünftigen, dringend nötigen Ausbau des Schweizer Strassennetzes zur Verhinderung eines Verkehrskollapses – aber ohne Erhöhung des Benzinpreises. Die Initiative wurde am 10. März 2014 mit 114 326 Unterschriften eingereicht – laut auto-schweiz treffen sogar heute noch volle Unterschriftbogen ein.
 
Historische Chance verpasst
Der Bundesrat hat anfangs September 2014 die Initiative ohne Gegenvorschlag abgelehnt; er will die bestehende Finanzierungslücke durch die Erhöhung des Benzinpreises decken. Die Initiative weiche vom Grundsatz einer verstärkten Nutzerfinanzierung – anders als beim öffentlichen Verkehr – ab und biete auch keine Grundlage für eine konstruktive politische Diskussion für die Lösung der Finanzierungsfragen des Strassenverkehrs, so der Bundesrat. Dies, obwohl die Initiative genau das fordert: Nutzerfinanzierung, indem die Automobilisten mit der Mineralölsteuer die von ihnen benutzte Strasseninfrastruktur bezahlen – anders als beim öffentlichen Verkehr, der von den Automobilisten querfinanziert wird.
«Hätte man die von den Strassenverbänden seit Jahren geforderte Zweckbindung konsequent umgesetzt, würde für den Ausbau des Strassennetzes auch in Zukunft genug Geld zur Verfügung stehen», sagt dazu AGVS-Zentralpräsident Urs Wernli. Wenn die Automobilisten jetzt über eine Erhöhung des Benzinpreises jenes Geld ersetzen müssten, mit dem vorher die Schiene statt der Strasse ausgebaut wurde, dann sei dies «nicht hinnehmbar».
 
Im Interesse der Automobilisten
Der AGVS – und mit ihm die anderen Strassenverbände – werde sich im Interesse der über fünf Millionen Automobilisten in der Schweiz mit allen Mitteln gegen diesen Schritt zur Wehr setzen. Der AGVS bedauert allerdings, dass sich der Bundesrat nicht auf einen Kompromiss einlassen will und stattdessen jetzt die Konfrontation an der Urne suche. Man habe zu einem Kompromiss Hand geboten, so Wernli. Doch jetzt sei man genötigt, im Abstimmungskampf dafür zu sorgen, dass die Stimmbürger wie bei der Vignetten-Abstimmung im vergangenen November ein klares Zeichen setzen – gegen einen weiteren Raubzug auf ihr Portemonnaie.

Der Bundesrat will noch vor der bevorstehenden Wintersaison seine Botschaft ans Parlament überweisen. Die zwei Kammern beraten anschliessend über die Initiative, die dann dem Volk mit oder ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung vorgelegt wird.


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