Experten sagen, wie sich die Restwerte entwickeln

Gebrauchte Elektrofahrzeuge

Experten sagen, wie sich die Restwerte entwickeln

4. April 2021 agvs-upsa.ch – Elektrifizierte Personenwagen sind als Neuwagen zunehmend ein Thema für eine immer breitere Bevölkerungsschicht. Im Windschatten dieser Entwicklung bildet sich ein Occasionsmarkt, der sich vom Volumen zunehmend sehen lassen kann. Zentrales Diskussionsthema ist dabei die Entwicklung der Restwerte. 

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Ein reinelektrischer Nissan Leaf der ersten Generation unterwegs in Zürich. Foto: Nissan

kro. Es sind Sätze, von denen Auto-Schweiz vor ein paar Jahren noch träumte: Die Zahl neuer Hybrid- und Elektromodelle ist in den ersten beiden Kalendermonaten des Jahres 2021 erneut gestiegen. Elektroautos legen um 54,3 Prozent zu und kommen auf 2412 Immatrikulationen, Plug-in-Hybride wachsen um 62,2 Prozent auf 2325 Einheiten. 

6553 Inverkehrsetzungen entfallen auf Hybridmotorisierungen ohne externe Auflademöglichkeit, was einem Plus von 61,5 Prozent entspricht. Insgesamt ist in 36,2 Prozent der Schweizer Neuwagen eine Motorisierung ohne reines Benzin- oder Diesel-Aggregat verbaut. Mit anderen Worten: Es geht vorwärts mit der Elektrifizierung des Schweizer Wagenparks. 

Die erfreuliche Entwicklung bei den Immatrikulationen von Elektrofahrzeugen fördert die Entstehung eines Gebrauchtwagenhandels für E-Autos. Um einen ersten Eindruck dieses Marktes zu bekommen, hilft ein Anruf bei Autoscout24, weil die knapp 160'000 Fahrzeuge umfassende Datenbank den Schweizer Gebrauchtwagenmarkt sehr exakt abbildet. Noch machen dort reine Elektrofahrzeuge erst einen Anteil von knapp zwei Prozent aus. Am 3. März 2021 waren 1862 Elektrofahrzeuge als Gebrauchtwagen gelistet. «Der Anteil der reinen Elektrofahrzeuge an den Neuwagen auf unserer Plattform ist in den letzten vier Jahren markant angestiegen», sagt Maurice Acker, National Sales Director beim Branchenführer, «und wir erwarten einen ähnlichen Trend bei den Occasionen, allerdings um ein paar Jahre verzögert.» 

Das sind sehr gute Aussichten für die Händler, umso mehr, als dass eine gesunde Nachfrage schon da ist: «Momentan stehen solche Fahrzeuge nicht lange auf dem Platz», bestätigt Tim Snijders, EV-Spezialist der Garage Galliker Gruppe, die aktuell selbst über ein Dutzend gebrauchte Elektrofahrzeuge im Angebot verfügt. Wie dynamisch sich der Markt entwickelt, illustriert Snijders Nachsatz: «Immer mehr erhalten wir sogar Anfragen für Fahrzeuge, die wir gar nicht ausgeschrieben haben.»
 
Occasionen auf Autoscout24 aus den Jahren 2020 oder 2021 stammen, also nicht älter als 14 Monate sind. Älter als zwei Jahre sind nur gerade zwölf Prozent der angebotenen Elektroautos. Dieser Umstand trägt direkt dazu bei, dass der Werterhalt auf einem für den Händler ansprechenden Niveau liegt. Das bestätigen auch aufmerksame Marktbeobachter wie René Mitteregger. Der Datenspezialist von Auto-i-dat sagt sogar: «In jungen Jahren verhält sich ein Elektrofahrzeug eher besser im Restwert als ein vergleichbares Fahrzeug mit Benzin- oder Dieselantrieb.» Werde das Fahrzeug älter, wertet es auch schneller seinen Preis ab. «Das liegt einerseits daran, dass Elektrofahrzeuge noch relativ jung sind und dadurch schnelle Technologiewechsel erfahren.» Der Praktiker bestätigt diese Theorie: «Die Restwerte verhalten sich relativ identisch wie bei den thermischen Fahrzeugen. In der Tendenz sogar noch etwas konstanter», sagt Tim Snijders. Das hat mit Sicherheit auch damit zu tun, dass die meisten Eintauschfahrzeuge noch über eine Garantie für das Akku-Paket verfügen.

Allerdings: Ein «Eldorado» ist auch dieses Segment im Gebrauchtwagenmarkt nicht – es geht nicht einfach alles weg wie «warme Weggli», nur weil es elektrifiziert ist. «Ältere Fahrzeuge und damit ältere Technologien, sozusagen die Pioniere der Elektromobilität, lassen sich nicht mehr so gut verkaufen», beobachtet René Mitteregger, «im Moment boomen die jungen Gebrauchten.» 

Besteht dadurch nicht die Gefahr, dass Elektrofahrzeuge der neuesten Generation, die über mehr Reichweite verfügen und schneller geladen werden können, den Preiszerfall von älteren Generationen beschleunigen? «Das wage ich zu bezweifeln», sagt René Mitteregger. Und Tim Snijders ergänzt, dass sich das in der Realität bisher nicht gezeigt habe: «Viele Leute möchten kein neues Fahrzeug kaufen oder verfügen nicht über die nötigen finanziellen Mittel dazu. Sie benötigen auch nicht zwingend mehr Reichweite. Von einem stark fallenden Restwert gehen wir deswegen nicht aus.»

Dass sich die Entwicklung der Restwerte markant zu verschlechtern beginnt, damit rechnet im Grunde genommen niemand – auch, weil es keinen vernünftigen Grund dafür gibt. Verschiedene Marktanalysen kommen denn auch zum Schluss: Mit einem zukünftigen Anstieg des Angebots an gebrauchten Elektroautos und einer noch stärkeren Nachfrageentwicklung wird sich die Restwertentwicklung von Elektroautos weiterhin auf dem Niveau von vergleichbaren Verbrenner-Modellen bewegen. «Das sehen wir grundsätzlich auch so», sagt Tim ­Snijders. Je nach Weiterentwicklung der Antriebstechnik könnten die Restwerte zwar etwas schwanken. «Das ist aber kein Grund zur Unsicherheit. Auch bei den thermischen Fahrzeugen fallen die Restwerte etwas zusammen, sobald ein neues Modell mit neuen Technologien auf den Markt kommt.» 

Marktbeobachter Mitteregger stimmt dem ebenfalls zu und ergänzt: «Voraussetzung dafür ist, dass die Nachfrage vorhanden bleibt. Und das hängt massgeblich von der Entwicklung der Ladeinfrastruktur ab.» Längst nicht jeder Automobilist könne heute sein Auto zuhause in seiner Garage laden. Die Gefahr einer «Restwert-Falle» für Elektrofahrzeuge, wie sie in Deutschland immer wieder kolportiert wird, sehen weder Mitteregger noch Snijders für die Schweiz. Das hängt primär damit zusammen, dass neue Elektrofahrzeuge in Deutschland vom Staat direkt mit hohen Prämien massiv gefördert und die Marktpreise damit verzerrt werden.

Allerdings stellt sich gerade in einem jungen Markt wie der Elektromobilität, bei der die technologische Entwicklung und damit die Entwicklung der Preise nur schwer voraussehbar ist, das Problem der Leasing-Rückläufer erst recht. Wie gross ist in der Praxis das Problem von Leasing-Rückläufern, die im Restwert ursprünglich zu hoch angesetzt wurden, tatsächlich? «Da bei den meisten unserer Marken schon Erfahrungswerte vorhanden sind, können die Leasing-Restwerte relativ verlässlich kalkuliert werden», sagt Tim Snijders. Grundsätzlich sei für die richtige Kalkulation immer die Auslieferungsgarage, also der Händler verantwortlich. Und genauso müsse auch eine spätere Differenz vom Händler getragen werden. Heisst: «Das Restwertrisiko lag und liegt schon immer beim Händler.» Die Chancen aber auch. 

Quelle des zweiten Bildes: Opel
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